Bergen, Norwegen
28 Juli 1995
Marianne Haslev Skånland:
Leserzuschrift apropos Siv Westerberg: "Pflegschaft der Abkassierer"
Siv Westerbergs Artikel vom 14. Juli über die Übergriffe der schwedischen Sozialbehörden hätte mir eigentlich einen Schock versetzen müssen. Aber das hat er nicht, denn was dort geschildert wird, kommt leider auch hier in Norwegen allzuoft vor.
Es fängt meistens damit an, dass die Sozialbehörden Menschen angreifen, die sozial gesehen eine schwache Stellung haben: unverheiratete Mütter oder Arbeitslose, die gezwungen sind, finanzielle Hilfe von den Sozialbehörden zu beantragen, um ihre Familie über die Runden zu bringen. In vielen Fällen stürzen sie sich auch auf Kinder, die krank sind, und "diagnostizieren", dass die Krankheit durch Versäumnisse der Eltern verursacht seien. In dieser Weise haben die Sozialbehörden das Leben von Kindern mit Gehirnschaden zerstört, z. Bsp. von autistischen Kindern oder Kindern mit dem La Tourette Syndrom.
Vor kurzem hat die Stadtverwaltung in Oslo gegen den ausdrücklichen Rat des Psychiaterausschusses beschlossen, das Jugendamt mit dem Amt für Kinderpsychiatrie zusammenzulegen. Diese Zusammenlegung gibt dem Jugendamt noch mehr erschreckende Macht.
Im Krisenzentrum für misshandelte Frauen, wo Frauen mit ihren Kindern Schutz suchen können, haben die Sozialbehörden angefangen - nachts - einzudringen, um Kinder zu holen; z. Bsp. weil ein wütender Ehemann die geflüchtete Ehefrau beschuldigt, keinen "günstigen psychischen Einfluss" auf das Kind zu haben. Man kann sich leicht denken, wie auch andere Frauen und Kinder im Krisenzentrum reagieren. Jetzt verlangt das Jugendamt und seine übergeordnete Behörde, das Kinder- und Familienministerium, eine gesetzliche Pflicht für die Krisenzentren, alles über die Kinder zu berichten, die mit ihren Müttern dahinkommen. Ich habe neulich erfahren, dass man eine Meldepflicht auch für Pfarrer einführen will. Schon lange übt das Jugendamt totale Macht über Schulen und Kindertagesstätten aus.
Die Helferinnen, die die Gemeinde als Vertretung für eine erkrankte Mutter und Hausfrau oder ebensolche Haushaltshilfen sendet, sind verpflichtet, die Familien, bei denen sie eingesetzt sind, den Behörden zu melden. Falls sie melden, dass die Wohnung schmutzig oder unaufgeräumt ist, genügt das als Grund für das Jugendamt, die Kinder fortzunehmen. (In der Wirklichkeit wäre es eine Sensation, wenn ein Haushalt, der dringend Hilfe in Form von einer Hausfrauenvertretung braucht, vollständig aufgeräumt und sauber wäre, wenn die Vertretung kommt.) Aber auch den umgekehrten Fall gibt es: Gegen eine Hausfrau führte der Spion des Jugendamtes an, dass sie zu viel Waschpulver verbrauchte, als sie die Wäsche wusch.
Die Macht des Jugendamtes ist jetzt so gross, dass es sich nicht mehr darauf beschränken muss, sozial schwache Familien anzugreifen. Ein jeder kann von ihm angegriffen werden. Die Familie mag noch so viele Ressourcen haben; das Jugendamt erfindet immer etwas, was ein Eingreifen nötig macht.
Das Jugendamt hört sich nur das an, was seine eigenen Leute sagen. Denen wird immer Glaube geschenkt, und ihre Berichte verfolgen die Norweger von einem Bezirk zum anderen und von Generation zu Generation: Falls das Jugendamt einmal ein Kind bei Pflegeeltern untergebracht hat, ist ihrer Ansicht nach das Kind später ungeeignet, selbst Mutter oder Vater zu sein. Falls eine solche Frau sehr jung ein Kind kriegt, nimmt das Jugendamt es ihr ganz selbstverständlich sofort nach der Geburt weg, auch wenn das Verhalten der Mutter in jeder Hinsicht mustergültig ist.
Sogar wenn es sich zeigt, dass die Berichte des Jugendamtes falsch sind, werden sie nie aus den Archiven gelöscht. Berichte dagegen, die Positives über die Familie aussagen, z. Bsp. von Verwandten, Bekannten, Arbeitsgebern, Lehrern, unabhängigen Psychologen, werden nie berücksichtigt. Sie werden als "parteiisch" angesehen. Das Jugendamt dagegen behauptet von sich selbst, dass es unparteiisch sei, aber in Wirklichkeit hat es eine sehr deutliche Zielsetzung: Machtausübung und Arbeitsplätze für sich selbst zu erhalten.
Genau wie in Schweden gibt es auch in Norwegen eine grosse Anzahl sehr hoch bezahlter und sehr schlechter Pflegefamilien und die Sozialarbeiter verbünden sich mit den Pflegeeltern, um die Kinder einer Gehirnwäsche zu unterziehen; um die Kinder glauben zu machen, dass ihre leiblichen Eltern geisteskrank seien oder verantwortungslos. Man versucht die Kinder dazu zu bringen, dass sie sich "vertraulich öffnen" und erzählen, wie schlecht es ihnen bei ihren leiblichen Eltern ergangen sei. In Wirklichkeit ist die Pflegefamilie für diese Kinder ein Gefängnis oder ein Konzentrationslager. Und in den Fällen, wo gute Pflegeeltern und die leiblichen Eltern Freunde werden, und gemeinsam versuchen, das bestmögliche aus der Situation zu machen, dann geschieht es nicht selten, dass die Sozialbehörden die Kinder fortnehmen und an andere Pflegeeltern geben. Die Versuche der leiblichen Eltern, ihre Kinder zurückzubekommen, werden von den Sozialbehörden nie als das aufgefasst, was es ist: Liebe und Fürsorge für die Kinder, stattdessen sehen die Sozialbehörden es als ein Zeichen von pathologischer Sturheit und Prestige. Der Leiter des Jugendamtes in einem norwegischen Bezirk sagte geradeaus, dass es für die Eltern zu viele Möglichkeiten noch gebe, gegen eine Fortnahme der Kinder vorzugehen. Dies, meinte sie, führe dazu, den Pflegeeltern die Sicherheit zu rauben, dass sie das Kind behalten könnten. Die Sozialbehörden behaupten immer, dass es so ungünstig für das Kind wäre, wenn es wieder umziehen müsse - das Kind brauche Ruhe und Stabilität in der Pflegefamilie. Aber es kommt nie vor, dass sie meinen, dass es für das Kind ungünstig wäre, von seinen Eltern weg und in ein Kinderheim oder zu einer Pflegefamilie zu ziehen.
Und das norwegische Volk lässt all dies geschehen. Sie wollen nicht glauben, dass Beamte und Menschen mit Universitätsdiplom, die sagen, dass sie zum Wohle des Kindes handeln, in Wirklichkeit wie der KGB oder der Gestapo arbeiten. (Status und Ausbildung garantieren ja keineswegs für moralische Grundsätze; die KGB-Leute kamen aus der am besten ausgebildeten und informierten Elite Russlands). Unsere Gerichte beauftragen "sachverständige" Gutachter als Beisitzer für solche Fälle, Psychologen, die, wenn sie keine sichtbaren Mängel in der Betreuung der Kinder finden können, behaupten, dass es "psychische Defizite" in der Betreuung gibt, die so kompliziert sind, dass nur Psychologen mit Sonderausbildung sie diagnostizieren können. Ein grosser Teil unserer Richter glaubt diesen Blödsinn und die lügenhaften Berichte und Aussagen der Sozialämter.
Die Theorien, auf die sich die Sozialwissenschaftler und Psychologen in den Jugendämtern berufen, sind übrigens völlig unwissenschaftlich, und vertreten mittelalterliche Vorgehensweisen und Standpunkte. Sie ähneln auffallend Rassetheorien, wie die in Deutschland unter Hitler praktizierten. Ähnliche Theorien tragen auch die Verantwortung für viele Zwangssterilisierungen in den U.S.A. noch bis zum Jahre 1970, und in Norwegen für eine konzentrationslagerähnliche Unterbringung von "Tatere" (ein zigeunerähnliches Volk), auch bis zum 1970.
Sowohl in Deutschland als auch in Dänemark leben norwegische Familien, die Flüchlinge aus Norwegen sind - es ist ihnen gelungen, ihre Kinder vor der zerstörerischen Betriebsamkeit der norwegischen Sozialbehörden zu retten, aber sie können nicht nach Norwegen zurückziehen, denn dann würden die Sozialbehörden sofort neue "Untersuchungen" gegen sie starten.
Auch Norwegen ist von der Europäischen Kommission zum Schutze der Menschenrechte kritisiert worden. Aber der Kinder- und Familienminister "ist nicht derselben Meinung". Die Vernebelungsaktion wird systematisch betrieben: Unsere Obrigkeit redet von allen Drogensüchtigen und von allen vernachlässigten Kindern, die sie betreut, aber sie redet nie von all den guten und prächtigen Familien, die sie zerschlägt. Man fragt sich: Wenn es wirklich so viele Kinder gibt, denen die Eltern nicht helfen wollen, warum sind dann die Sozialbehörden so überaktiv gegenüber Kindern, die von ihren Eltern vorzüglich betreut werden? Es sind die Sozialbehörden, die verzweifelte Kinder schaffen, nicht die Eltern.
Eine Reihe anderer Zustände zeigt noch mehr wie ein Rechtsstaat verloren geht und ein diktatorischer Terrorstaat heranwachsen kann. Z. Bsp. werden Menschen in Norwegen, die versuchen, den Opfern des Jugendamtes zu helfen, selber terrorisiert und bedroht.
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Die tragische Entwicklung von psychologischer und sozialfachlicher Kurpfuscherei in Norwegen und in Schweden hat mich zum erstenmal dazu gebracht, den Deutschen völlig zu vergeben und zu verstehen, wie das deutsche Volk auf Hitler hereinfiel; dass es nicht die Schrecken der Konzentrationslager sah, dass es nicht glauben konnte .... Nun verstehe ich das deutsche Volk, denn nun ist es auch hier geschehen.